Die stolzen Segler brauchen Hilfe – Weiterbildung an der Stockistrasse

Die stolzen Segler brauchen Hilfe – Weiterbildung an der Stockistrasse

Wenn die Mauersegler und die Mehlschwalben ihre Sommersaison in unseren Gefilden beendet haben, beginnt erst die Arbeit ihrer hiesigen Betreuer. Ohne deren Hilfe hätten die Vögel zu wenig Nistmöglichkeiten. Der Glattfelder Naturschutz braucht dringend neue Leute, die anpacken können.

Wer im Dorf zu Fuss unterwegs ist, kann sie nicht übersehen, die weissen eckigen Holzkästen und die halbrunden Nisthilfen, welche hoch oben an Hauswänden montiert sind. Bei Letzteren ist meistens darunter noch ein Brett montiert worden, wo herausfallendes Material wie Kot aufgefangen wird.

Die grösseren Kästen mit ihren schmalen ovalen Öffnungen sind für die Mauersegler, die kleineren für die Mehlschwalben. «In dieser Jahreszeit kann man genau beobachten, welche der Behausungen für die Mehlschwalben bewohnt gewesen ist. Dort, wo unten ein Häufchen liegt, hat jemand gewohnt», erklärt Robert Sand am Samstag in der Stockistrasse.

Er hat über Jahrzehnte die Unterhaltsarbeiten an Hunderten von Nistkästen auf dem ganzen Gemeindegebiet betreut und möchte, oder vielmehr muss, in Zukunft kürzer treten. Jemand hält ein altes Nest in die Kamera und Sand betont, dass es bei den Mauerseglern wichtig sei, den festen Sockel des Baus unbedingt im Gehäuse zu lassen, damit die sonst schon gestressten Elterntiere nicht jedes Jahr neu anfangen müssten.

Als nächstes steigt Andreas Enz, früherer Primarlehrer im Eichhölzli, die Leiter hoch und demonstriert, wie die beiden verschiedenen Nisthilfen mit Besen und einem Kübel am besten gesäubert werden können.

Links die Nisthilfen für Mehlschwalben, rechts eine für Mauersegler.

Schlafen und Lieben – alles in der Luft

Die Mauersegler, welche etwa abends gerade im Stockigebiet, aber auch bei mir im Fränzli oben, mit schrillem Geschrei in unglaublicher Geschwindigkeit um die Dachkännel kurven, verbringen 99 Prozent ihres Lebens in der Luft. Sie schlafen nachts teils in 3000 Meter Höhe, indem sie die eine Hirnhälfte ausschalten und die andere in einer Art Tempometer laufen lassen können.

Sogar die Paarung findet in der Luft statt. An ihrem Beispiel liefert die gute Natur fast nur Spektakel. So verbringen die Zugvögel den Winter teils auf der Breite der südlichen Sahara, um anfangs Mai jeweils wieder die exakt gleiche Nesthilfe in Europa anzufliegen. Der älteste bekannte Mauersegler in der Schweiz, wurde 21 Jahre alt. Geht man davon aus, dass er 20 mal die Strecke Schweiz-Südafrika flog, und rechnet dann noch seine normalen Tagesflüge dazu, dann macht das eine Lebens-Flugstrecke rund 400’000 km. Das entspricht 96-mal um die Erde oder 5 mal zum Mond und zurück, und das ganz ohne Service, wie René Moor bemerkt.

Seine Tochter, Madeleine Gersbach, ist Waldpädagogin und begleitet etwa Schulklassen und Kindergärten im Umgang mit der Natur. Sie ermuntert die erschienenen Interessierten, ihre auf Zetteln vorbereiteten Aussagen zu den zwei Schwalbensorten auf deren Wahrheit zu überprüfen und sie dann entsprechend abzulegen.

So erfahren wir, dass die grösseren Alpensegler mit ihren sichelförmigen Flügeln bis zu 60 Zentimeter Spannweite aufweisen können. Abends kreisten sie schon früher teils so hoch am Himmel, dass die Leute glaubten, sie schliefen auf dem Mond.

Robert Sand zeigt ein leeres Gelege.

Trotz allem gefährdet

Den engagierten Naturschützern liegt viel daran, darauf hinzuweisen, dass die erwähnten stolzen Tiere wie viele andere der mehr oder weniger seltenen Arten in der heutigen Siedlungslandschaft bedroht sind.

Was sie brauchen, sind weitere Nistplätze. Weil sie ihre Verstecke je länger je weniger in alten Scheunen und Abbruchbauten finden, wo es irgendwo eine Ritze oder einen Spalt hätte, müssen wir diese Möglichkeiten künstlich schaffen.

In Glattfelden, welches sich in letzter Zeit auch dank Anstrengungen des Kantons und des Flughafens Zürich in Sachen naturgeschützter Flächen durchaus positiv entwickelt hat, waren dieses Jahr immerhin je 59 Nisthilfen von Mauerseglern und Mehlschwalben bewohnt, zufällig also von beiden Arten genau gleichviel.

Es wäre sehr schade, wenn die wichtige Betreuungsarbeit im Zusammenhang mit diesen und den zahlreichen weiteren Behausungen für Vögel in unserer Region keine gesicherte Fortsetzung erführe. Wer sich angesprochen fühlt, darf sich gern melden.

➡️ Robert Sand, Staltigstrasse 27, 8192 Glattfelden / 044 867 48 68 ro.sand@sunrise.ch / www.naturglattfelden.ch

Andres Enz säubert Nisthilfen für Mehlschwalben.
Gut versteckter Blumengarten im Wald

Gut versteckter Blumengarten im Wald

Auf den Spuren der Frühblütler ist am Wochenende eine bunte Schar Naturfreunde rund um das Forsthaus Buechhalde unterwegs gewesen. Rangerin Madeleine Gersbach wusste nicht nur gut Bescheid, sie forderte auch einiges von den Teilnehmern.

Bevor der Glattfelder Naturschutzverein jeweils zur Jahresversammlung zusammensitzt, wird auch noch etwas geboten in Sachen Weiterbildung. Mal ehrlich, wann haben Sie letztmals einen Spaziergang im tiefen Wald gemacht, um sich an der bunten Blumen- und Pflanzenvielfalt zu erfreuen? Zugegeben, unsere Gärten in den Quartieren des Dorfes laden aktuell auch ganz schön zum Verweilen und Hinschauen ein. Dass aber eine fast ebenso attraktive Blumenpracht mitten im Wald auf uns wartet, dürfte weniger bekannt sein. Namen gefällig? – Waldveilchen, Buschwindröschen, Bärlauch (mit üppiger Geruchsnote), Sauerklee, Immergrün, Waldmeister und so weiter.

Die Rangerin kennt sich aus

Madeleine Gersbach ist die Tochter des Vereinspräsidenten René Moor. Sie hat sich zusätzlich zu ihrer Ausbildung als Kindergärtnerin zur Rangerin und Waldpädagogin ausbilden lassen, was sie befähigt, verschiedenste Gruppen von Kindern oder Erwachsenen in Dingen des Waldes und der Natur anzuleiten. Dass sie auch Feldornithologin und Jägerin ist, erfährt man auf ihrer eigenen Website. Was für Ideen die junge Frau dabei mitbringt, hat sie in der «Wald-Ideenkiste» gesammelt, welche auch für andere zugänglich ist. So sollen Waldtage in Schulen und Kindergarten auch wirklich zu Naturerlebnistagen werden. Bei der Waldhütte Buechhalden gilt es zunächst, aus Pictogrammen die zusammengesetzten Namen der gängigsten Gewächse im Wald herauszufinden. So ergeben der Busch, der Wind und die Rose eben das Buschwindröschen. Unterwegs auf der kleinen Runde um das Forsthaus wird etwa untersucht, was essbar ist und einem allenfalls beim Ausgesetzt-Werden im Wald helfen könnte. Junge, hellgrüne Buchenblätter gehören beispielsweise dazu. Oder von welchen Blüten eher abzuraten ist, weil sie uns nicht gut bekommen. Weshalb Frühblütler wie das Schneeglöcklein oder Krokusse oft in grossen Gruppen auftreten, erklärt Madeleine Gersbach am Beispiel einer breiten Veilchenpopulation. Diese so genannten Geophyten sind wortwörtlich übersetzt Erdpflanzen, die Speicherorgane mit Energiereserven unter der Erdoberfläche bilden, wo sie auch miteinander verbunden sind. Später sollen sich die Teilnehmer zu zweit aufteilen, wonach jeweils einer die andere Person zu einer besonderen Stelle führt. Erst dort darf sie die Augen öffnen und den ausgesuchten fotografischen Spot bewundern.

Lichter Wald fördert Vielfalt

Für die älteren Semester unter den Teilnehmern ist schon auffällig, wie der Wald in den letzten Jahrzehnten lichter geworden ist. Wo früher Nadelbäume fast in Monokultur gesetzt wurden, darf sich heute die Waldnatur in den ausgelichteten Zonen um einiges vielfältiger entwickeln. An einem weiteren Posten des Rundgangs darf man sich ein kleines Schemelchen schnappen und möglichst abseits zur Abwechslung nur horchen und notieren, was sich da bemerkbar macht. Die Singvögel haben an diesem herrlichen Tag Hochkonjunktur, daneben stören aber leider auch Geräusche, die wir lieber nicht hätten. Die ferne S-Bahn, ein aufheulender Töff und vor allem aus westlicher Richtung permanenter Fluglärm. Nach dem Rundgang leitet René Moor unter freiem Himmel die Jahresversammlung des Glattfelder Naturschutzvereins. Er richtet einen Appell an interessierte Vogelschützer, welche mithelfen sollten, die rund 500 gehängten Brutkästen auf Gemeindegebiet zu putzen. Neu hat der Verein Madeleine Gersbach damit beauftragt, sich zu überlegen, wie ein erstmaliger Auftritt mit einer Website aussehen könnte.